Lucius Annaeus Seneca - Philosoph zwischen Geist und Macht
Symposium über Senecas Leben und Werk am 9. April 2022 in Nürnberg & via Zoom
© Gesellschaft für kritische Philosophie/Humanistische Akademie 2022
Programm
Ablauf
Uhrzeit Programmpunkt
10.00 Einführung
10.15 Prof. Dr. Harald Seubert (Basel) (via Zoom):
Seneca zwischen Macht und Weisheit, Rom und der Kosmopolitie
11.00 Dr. Gerhard Engel (Hildesheim) (in Präsenz):
Seneca als klassischer Politikberater
11.45 Kaffeepause 1
12.15 Valentina Dafne De Vita, M.A. (Halle) (in Präsenz):
Der Mut zur Wahrhaftigkeit gegen sich selbst: Senecas moralische
Rolle der Selbstkritik
13.00 Mittagspause
14.15 Prof. Dr. Rudolf Lüthe (Aachen) (via Zoom):
Vom Glück der Aufrichtigkeit und dem Segen der Endlichkeit
15.00 Dr. Robert Zimmer (Saarbrücken) (via Zoom):
Lebensweisheit als Weltklugheit. Senecas Briefe an Lucilius als
Vorläufer einer Philosophie der Lebenskunst
15.45 Kaffeepause 2
16.15 Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Birnbacher (Düsseldorf) (in Präsenz):
Seneca und der „gute Tod“
17.00 Podiumsdiskussion mit den Referenten
18.15 Ende der Veranstaltung
Nach jedem Vortrag sowie im Rahmen der Podiumsdiskussion besteht für die
Teilnehmenden Gelegenheit, Fragen zu stellen und Diskussionsbeiträge zu
äußern.
Themen
Seneca zwischen Macht und Weisheit, Rom und der Kosmopolitie
Prof. Dr. Harald Seubert (via Zoom)
Harald Seubert versucht, Senecas Philosophieren in der gedanklichen und
historischen Spannung zwischen Autonomie eines freien Geistes und der Rolle
in der Neronischen Republik und am Hof Neros zu verankern. Seneca musste
moralisch und intellektuell einen Spagat bewältigen, wie ihn auch manche
Philosophen in der Moderne aufzunehmen hatten. Reine Gesinnungsethik
konnte nicht der Ausweg aus der Paradoxie sein. Bewegend und eindrucksvoll
ist für Seubert, wie Seneca mit sich selbst ins Gericht geht. Systematisch formt
sich so ein Denken aus, das gleichermaßen wie in konzentrischen Kreisen auf
den Kosmos, die Stadt Rom und den eigenen Seelenhaushalt gerichtet ist.
Besonders eindrücklich scheint dem Referenten, dass sich Seneca selbst nicht
den höchsten philosophischen Rang zuweist, sondern sich als Menschen einer
silbernen Latinität erkennt. Nicht zuletzt darin dürfte seine Affinität zu den
Brüchen des Modernebewusstseins zu finden sein.
Seneca als klassischer Politikberater
Dr. Gerhard Engel (in Präsenz)
Die klassische Politikberatung der Antike verstand sich als Politikerberatung:
Charakter und Wissen eines (zukünftigen) Herrschers sollten durch eine mora-
lische und intellektuelle Autorität geformt werden, um das Beste für die Polis
zu erreichen. Doch seit der Renaissance sind uns zwei Gewissheiten abhanden-
gekommen, die dieses Konzept stützten: Erstens sprechen wir inzwischen nicht
mehr vom moralisch „Guten“, an dem sich Politik (notfalls autoritativ) orien-
tieren soll, sondern von Interessen, die es zu moderieren gilt. Zweitens ist das
antike Ideal des Wissens dynamisiert: Wir „wissen“ nicht mehr, sondern wir
raten (Popper) und versuchen, aus unseren (oft schrecklichen) Fehlern zu
lernen. Gleichwohl ist Senecas Konzeption von unerwarteter Aktualität: Die
Stoa verlangt nämlich, die Naturgesetze zu akzeptieren und an ihnen unser
Handeln auszurichten. Seine in „De beneficiis“ ausgearbeitete Idee, gesell-
schaftliche Stabilität auf allgemeine Reziprozität zu gründen, bildet dabei eine
vielversprechende und historisch zukunftsweisende Innovation.
Der Mut zur Wahrhaftigkeit gegen sich selbst: Senecas moralische Rolle der
Selbstkritik
Valentina Dafne De Vita (in Präsenz)
Die Referentin widmet sich dem Thema der Selbstkritik bei Seneca: Sie zeigt
zunächst unter Rückgriff auf Foucaults spät entfalteten Gedanken der
Parrhesia (Freimut) wie diese aus einem freien und schonungslosen Umgang mit
sich selbst und den eingenommenen Rollen erwächst. Im Rekurs auf den
kantischen Gedanken der Autonomie kann Selbstkritik als methodisches
Zentrum einer autonomen Moral rekonstruiert werden, die bei Seneca eine
prominente Ausprägung findet.
Vom Glück der Aufrichtigkeit und dem Segen der Endlichkeit
Prof. Dr. Rudolf Lüthe (via Zoom)
Rudolf Lüthe arbeitet die Linie eines Unbehagens an der Tugend, ja der
eigenen antiken Denkkultur, und eine tiefgehende Skepsis in Senecas
philosophischem Nachdenken heraus. Eben dies führt nach Lüthe zu einem
reflexiven Glück zweiter Stufe, einer Art „Minima Moralia” als Glück der
Aufrichtigkeit und Bejahung der Endlichkeit: Auch hier wären, ohne jede ein-
fache Aktualisierung, Linien zum Glücksverständnis der reflexiv gewordenen
Moderne zu ziehen.
Lebensweisheit als Weltklugheit. Senecas Briefe an Lucilius als Vorläufer
einer Philosophie der Lebenskunst
Dr. Robert Zimmer (via Zoom)
Robert Zimmer stellt Seneca als Lehrer und Ratgeber der Lebenskunst vor und
arbeitet dabei besonders die pragmatische Dimension von dessen Ratschlägen
heraus. Im Unterschied zu griechischen Vertretern der Stoa schrieb Seneca als
öffentlich wirkender Vertreter der politischen Klasse Roms und scheute sich
nicht, unbefangen vom Gedankengut anderer Philosophenschulen Gebrauch zu
machen. Weisheit und Klugheit konvergieren, wie Zimmer eindrücklich zeigt,
wobei Seneca, in Anlehnung an Aristoteles, für einen wohlbegründeten Sensus
communis eintritt, einen Mittelweg zwischen Anpassung und extremem Außen-
seitertum. In seinem lebenspraktisch orientierten, hedonistisch abgemilderten
Stoizismus wird Seneca zu einem Stichwortgeber der Moralistik, wie u.a. seine
Rezeption durch Montaigne nachdrücklich belegt, aber auch zu einem Vorläufer
der wiedererstandenen Philosophie der Lebenskunst.
Seneca und der „gute Tod“
Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Birnbacher (in Präsenz)
In seinem aus modernen medizinethischen Debatten schöpfenden Beitrag legt
Dieter Birnbacher dar, inwiefern Seneca den Blick darauf schärfen kann, dass
der selbstbestimmte Tod eine der schwerwiegendsten moralischen Herausfor-
derungen sei und an ihm die stoische Lehre von der Gleichgültigkeit aller Gü-
ter, auf die wir keinen Einfluss haben, ihren eigentlichen Probierstein findet.
Heutige Sichtweisen auf den eigenen Tod weichen von den eklektizistischen
Darlegungen Senecas ab, denn sie sind unter anderem durch die jüdisch-christ-
liche Weltorientierung wie durch die barbarische Usurpation der NS-faschisti-
schen „Euthanasie” mitgeprägt. Es ist daher eher die Methode der Reflexion,
die eine Kontinuität stiftet, und in dieser steht auch Birnbachers Beitrag, wenn
er etwa die Sichtweisen auf die Selbstbestimmung am Lebensende bei Seneca
und heute einander gegenüberstellt.
Tagungsort
Das Symposium findet in Nürnberg im Marmorsaal der „Nürnberger Akademie“
statt (siehe die oberen zwei Fotos links auf dieser Seite). Bei dem Gebäude
handelt es sich um das ehemalige Gewerbemuseum, erbaut von 1892 von 1897
im Stil eines repräsentativen neobarocken Schlosses. Das Museum war zugleich
handwerkliche und industrielle Bildungsstätte zur Vermittlung der künstleri-
schen Gestaltung von Gebrauchsgegenständen - heute würde man „Design“
sagen.
Essen & Trinken
In den beiden Kaffeepausen (11.45 Uhr und 15.45 Uhr) wird es nicht nur
Getränke, sondern auch süße und herzhafte Kleinigkeiten zu essen geben. Die
Verpflegung in diesen beiden Pausen ist im Teilnahmebeitrag inbegriffen.
Das Mittagessen (13.00-14.15 Uhr) nehmen die Teilnehmenden in einer
Lokalität ihrer Wahl und auf eigene Kosten ein.
Wir empfehlen das Restaurant Heilig-Geist-Spital, das ca. 5 Gehminuten vom
Tagungsort reizvoll in der Nürnberger Altstadt liegt (siehe die drei unteren
Fotos links auf dieser Seite; Lageplan und Wegbeschreibung im PDF ebenda).
Der Weg vom Tagungslokal zum Heilig-Geist-Spital;
hier der Lageplan mit Wegbeschreibung als
PDF-Download.
© Bettmann Archive
© Américo Toledano/CC BY-SA 3.0